Ja, meine ersten Tage an der Universität. Schlimme Tage waren das, verloren, alleine, völlig verwirrt und ohne hilfreiche Zwerge.
Es ist Montag Morgen und da ich noch nicht herausgefunden habe ob die Abfahrtszeiten der Busse hier einem bestimmten Muster folgen oder der Wurzel aus Anzahl der Fahrgäste+ Laune des Busfahrers/Wetter entsprechen, bin ich viel zu früh da. Ist aber nicht schlimm, denn ich weiß eh nicht was ich tun soll. "Kommen sie spätesten am 05.10. wieder, mit einem Zettel auf dem ihre Kurse stehen", hatte die böse Hexe gesprochen.
Ich wusste nun also was ich Freitags zu tun hatte. Nur wohin mit mir in der Zwischenzeit? Sollte ich mich einfach in die Kurse hineinsetzen? Vorher mit dem Professor sprechen? Also anstehen, mit ca 20 anderen verzweifelten Erasmusstudenten und fragen. Es ist halb 11, mein Kurs beginnt um 11.30, ich warte. Ein Student nach dem anderen zieht aus dem Lebkuchenhäuschen der bösen Hexe kommend an mir vorbei, mit hängendem Kopf und diversen verschiedensprachigen Ausführungen von "ähm...ich hab gar nichts verstanden."
Es ist 11.25 ich warte. Eine deutsche Mitstudentin meint, sie habe jetzt den gleichen Kurs wie ich, wolle sich jedoch gleich eintragen, je früher desto besser, denn wer wisse schon ob man später noch in die Kurse kommt. Gute Idee denke ich mir und und bleibe auch. Um 11.50 erfahre zu meinem Leidwesen, dass man dazu eben nicht nur einen Zettel mit den Kursen, sondern außerdem 2 Passfotos braucht. Und ein Formular ausfüllen muss. Ich habe nur noch EIN Passfoto. Da es zu spät ist ncoh in der Kurs zu gehen strecke ich, endlich an der Reihe, wenigstens kurz den Kopf hinein um zu fragen was von mir erwartet wird. "Einfach reinsitzen" krächtzt es mir entgegen und "War's das? Dann los, weiter". Schnell mache ich Platz, ich will ja nicht in den Backofen. Aber wie ich später erfahre ist dieser schon reserviert für eine (übrigens sehr nette) Polin und eine (mir unbekannte) Deutsche, doch das ist eine andere Geschichte.
Im nächsten Kurs nehme ich einfach teil und das funktioniert tatsächlich. Ich verstehe sogar den Professor und bis aus Versehen die Sprache auf meinen Freund kommt unterhält sich sogar ein spanischer Mitstudent mit mir^^
Danach hetze ich heim, kaufe ein und steige dann in den Bus, der mich ans andere Ende der Stadt bringt, wo ich irgendwann einen Passfotoautomaten gesehen hatte. Ich verlaufe mich. Ich bin langsam aber sicher etwas frustriert vom Ablauf meines ersten Unitags. Ich finde ihn. Ich habe kein Kleingeld. Ich fluche und mache mich auf den Weg eine Bank zu suchen. Nach einer halben Stunde frage ich eine alte Frau, ob sie mir wohl sagen kann, ob es in der Gegend eine Bank gibt. "Nein" gibt es nicht. Ok. Kann sie mir dann eventuell Geld wechseln? Empört schüttelt die böse Stiefmutter den Kopf und setzt die fleißige Goldmarie vor die Tür. Ich kaufe Zigaretten um an Kleingeld zu kommen.
Der Automat spricht italienisch. Nicht schlimm, das geht schon. Was nicht geht, das sind die Bilder. Wenn ihr euch vorstellt wie jemand aussieht, der vom Fahrrad fällt und mit dem Gesicht bremst, dann habt ihr in etwa eine Vorstellung davon, wie die Bilder aussahen (entschuldige den Vergleich, Sis). Mir ist zum Weinen zumute, keine hilfsbereiten Täubchen weit und breit, nur falsche im Töpfchen.
Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass auch der Professor den ich abends noch habe, einen netten Eindruck macht, ich alles verstehe und zudem eine nette polnische Leidensgenossin kennen lerne. Gerade noch sei sie der Hexe entronnen, doch sie müsse nochmals hin, ich empfehle ihr ein Stöckchen.
Am nächsten Tag geht es gerade so weiter. Was die Kurse betrifft bin ich schon ein alter Hase, leider schießt der neue Professor scharf. Kein Zuspätkommen, kein Trinken im Unterricht, keine Extrawürste für Erasmusstudenten (Habt ihr mich verstanden?), immer wieder kleine Klausuren, wer fehlt bekommt ne 6, Einsen gibt es nicht.
Ich bin etwas eingeschüchtert. Wenigstens verstehe ich ihn. Zumindest bis er versucht Englisch zu sprechen. Ich ahne Böses, schließlich soll der Kurs auf Englisch stattfinden, nun, wir werden sehen.
Danach versuche ich verzweifelt herauszufinden, ob ich wirklich 60 credits (ein internationales Bewertungssystem für Studienleistungen) benötige, was mir jedoch keiner sagen kann. Wieder einmal ist dies bei allen anders. Ich versuche die Hexe dazu zu überreden mir mein Studienzertifikat zu unterschreiben, da mir das BAföG-Amt sonst die Brotkrümel klaut, doch sie sagt "erst wenn du eingeschrieben bist". Nachdem ich ihr verspreche, dass ich keine Lebkuchen klaue erklärt sie mir wenigstens, dass ich nur EIN Passfoto brauche. Ich würde am liebsten in tausendjährigen Schlaf versinken.
Zum Glück tue ich es nicht, denn der nächste Professor hätte mich bestimmt nicht wachgeküsst, die Stunde ist furchtbar langweilig, denn ich verstehe kein Wort. Er hat einen Sprachfehler, spricht sehr leise und hat wohl nie Brotkrümel gehabt, denn irgendwie irrt er ziemlich ziellos durch den Wald romanischer Linguistik. Ich muss also meinen Stundenplan umplanen, sonst habe ich zu wenig Credits.
Stunden später ist mir dies gelungen, leider habe ich so nur 57 Credits. So langsam etwas gestresst rufe ich Wojtek, meinen weißer Ritter um Hilfe. Dieser ruft beim Auslandsamt an und fragt wie viele Credits ich brauche. 30 antworten die. Nur die Ruhe, passt alles, teilt er mir mit. Naja, 30 pro Semester nehme ich an, also doch 60 im Jahr, Blut ist im Schuh. Ich modele den Stundenplan nochmal um.
Ja. Am Donnerstag schaffe ich es dann endlich mich einzuschreiben, genau 60 Credits, die Hexe ist zufrieden, der Schuh passt. Nach einigem Hin und Her unterschreibt sie mir auch mein Studienzertifikat, während sie mit der anderen Hand eine Französin in den Käfig sperrt. Die hat vergessen die Codes für die Kurse aufzuschreiben, selbst Schuld, wie kann sie das auch vergessen, hat man ihr doch extra erklärt.
Völlig erledigt komme ich zu Hause an und freue mich auf das Wochenende. Nächste Woche wird der Jäger die Hexe erschießen und mit Steinen im Magen in den Brunnen werfen. Ach nein, das war ja auch eine andere Geschichte.
Samstag, 6. Oktober 2007
Oh nein, es geht noch stressiger - oder - Kam ein Erasmusstudent an die Universität
Eingestellt von Kris um 13:19
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2 Kommentare:
Ich stelle mich auch mal in die Schlange der Hexe, bin ja Pole. Die Geschichte von der anderen Polin solltest du aber unbedingt erzählen. Das ist schon der Hammer.
Es geht doch nichts über ein herzliches Willkommen!
Frage mich, warum diese Hexen denn immer wieder und überall auftauchen müssen? Sind das immer die Gleichen? ;-) (...Also Gretel, schlechter Job!)
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